Der Club ist ein Depp

Der Witz machte vor der vergangenen Saison in Nrnberg schnell die Runde. Der Club, so wurde an Frankens Stammtischen gefeixt, msse 2008 gewiss wieder den Gang in die 2. Liga antreten. Denn wer es einst geschafft hat, als amtierender Meister abzusteigen, dem sollte das wohl locker auch als Pokalsieger gelingen. Man hat in der Noris

Der Witz machte vor der ver­gan­genen Saison in Nürn­berg schnell die Runde. Der Club, so wurde an Fran­kens Stamm­ti­schen gefeixt, müsse 2008 gewiss wieder den Gang in die
2. Liga antreten. Denn wer es einst geschafft hat, als amtie­render Meister abzu­steigen, dem sollte das wohl locker auch als Pokal­sieger gelingen. Man hat in der Noris herz­lich gelacht über derlei pseu­do­pes­si­mis­ti­sche Pro­phe­zei­ungen. Natür­lich wusste jeder, der sich in all der Euro­pa­po­ka­l­eu­phorie etwas Rea­li­täts­sinn bewahrt hatte, dass eine Wie­der­ho­lung der jüngsten Erfolge uto­pisch war. Ein kom­modes Plätz­chen irgendwo im Tabel­len­mit­tel­feld hätte ja durchaus genügt. Aber absteigen? Mit dieser mit Natio­nal­spie­lern gespickten Mann­schaft, diesem treuen Publikum und dem min­des­tens besten Trainer der Welt? Nein, so ein Hor­ror­sze­nario klang dann doch zu absurd.

Am 17. Mai war in Nürn­berg keinem mehr zum Lachen zumute. Fast genau ein Jahr, nachdem man den DFB-Pokal in den Ber­liner Nacht­himmel gestemmt hatte, besie­gelte eine 0:2‑Pleite gegen Schalke den siebten Sturz ins Unter­haus und kürte den Alt­meister zugleich zum Rekord­ab­steiger. Ges­tern noch gegen Everton, St. Peters­burg und Ben­fica, morgen in Ingol­stadt, Koblenz und Ahlen – die zweite his­to­ri­sche Kata­strophe war per­fekt. »Der Club is a Depp!«, pflegt der Franke in sol­chen Momenten zu sagen, und es schwingt stets ein Hauch Fata­lismus mit.

11 FREUNDE #81Par­al­lelen zwi­schen den beiden sport­li­chen Total­schäden sind durchaus erkennbar. Nach der neunten Meis­ter­schaft anno 1968 ließ Trainer-Guru Max Merkel ohne Not Leis­tungs­träger wie Franz Brungs, Karl-Heinz Fer­schl oder Gustl Starek ziehen und ver­sank mit einem neu­for­mierten Team immer tiefer im Abstiegs­sumpf. Als der große Zam­pano acht Spiel­tage vor Schluss gehen musste, war es bereits zu spät, sein Nach­folger Kuno Klötzer konnte die Tra­gödie nicht mehr abwenden. »Es waren alle Vor­aus­set­zungen vor­handen, um auf Jahre hinaus die Nummer eins in Deutsch­land zu bleiben«, klagt »Gold­köpf­chen« Brungs noch heute und ist über­zeugt, »der Club hätte die Rolle spielen können, die dann der FC Bayern über­nommen hat«. Statt­dessen darbte der Ruhm­reiche neun lange Jahre in den Nie­de­rungen der 2. Liga.

Auch 2008 ist das Schicksal des 1. FCN eng mit einem Mann ver­bunden, der dem Nürn­berger Fuß­ball zunächst eine spek­ta­ku­läre Renais­sance beschert hatte. Im Herbst 2005 über­nahm Hans Meyer den frän­ki­schen Pati­enten als schein­totes Schluss­licht, führte ihn in einer gran­diosen Rück­runde bis auf Rang acht und ließ im Jahr danach gar Platz sechs folgen, Pokal­tri­umph inklu­sive. Eine ganze Region lag dem lis­tigen Thü­ringer darauf zu Füßen und hätte ihm am liebsten umge­hend ein Denkmal gebaut.

Doch hinter den Kulissen war längst nicht alles eitel Son­nen­schein. Etliche Profis waren den bis­weilen har­schen Umgangston, die über­stra­pa­zierte Ironie und die Lau­nen­haf­tig­keit des 65-Jäh­rigen leid. Meyer regierte in einer zuneh­mend auto­kra­ti­schen Art, kan­zelte Kri­tiker selbst­ge­fällig ab und leis­tete sich fatale Fehl­ein­schät­zungen bei der Kad­er­zu­sam­men­stel­lung. Exem­pla­risch mag der unsin­nige Win­ter­transfer des tsche­chi­schen Aus­lauf­mo­dells Jan Koller stehen – benö­tigt wurde eigent­lich viel drin­gender ein flinker Außen­stürmer.

Letzt­lich ent­wi­ckelte sich eine nega­tive Eigen­dy­namik

Als kon­tra­pro­duktiv erwiesen sich die rausch­haften Erleb­nisse im Euro­pa­pokal, die die Sinne ver­ne­belten und die pre­käre Lage in der Liga über­tünchten. Viel zu lange wurde das trü­ge­ri­sche Poten­zial eines spiel­starken Teams beschworen, das sich im Exis­tenz­kampf jedoch mental über­for­dert zeigte, keine echten Leader in seinen Reihen hatte und Aus­fälle kaum kom­pen­sieren konnte. Letzt­lich ent­wi­ckelte sich eine nega­tive Eigen­dy­namik, die von nichts und nie­mandem und auch von »Kon­zept­trainer« Thomas von Heesen nicht mehr zu stoppen war.

Des Volkes Trauer hielt sich diesmal aller­dings in Grenzen. Ein paar Tränen, ein paar Pro­teste am Sta­di­ontor – es gab schon dra­ma­ti­schere Abschieds­szenen. Der inzwi­schen ver­stor­bene Ex-Manager Edgar Geenen hatte wohl recht, als er einst fest­stellte: »Im Elend sind wir ja schon rou­ti­niert.« Viel­leicht aber hat man auch ein­fach nur begriffen, dass dieser Verein eben eine Ange­le­gen­heit der emo­tio­nalen Extreme ist. Heute him­mel­hoch jauch­zend, morgen zu Tode betrübt. Und ver­mut­lich macht genau das die fast bizarre Fas­zi­na­tion aus, die der Club seit jeher auf die Men­schen ausübt.

Zum Trai­nings­auf­takt jeden­falls emp­fingen gleich mal wieder 1600 Fans den Absteiger mit freund­li­chem Applaus. Von Auf­bruch­stim­mung war danach die Rede und dass man den »Betriebs­un­fall« umge­hend repa­rieren wolle. Den mah­nenden Ein­wand, der Club sei ja auch schon bis in die Regio­nal­liga durch­ge­reicht worden, mochte hin­gegen nie­mand hören. Nicht mal im Spaß.

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